Boragó

Menükarte

Menükarte

2017 waren wir einen Monat lang in Chile unterwegs. Von (fast) ganz unten bis nach Santiago. Zurück gebracht haben wir neben unvergesslichen Eindrücken und ein paar Souvenirs auch 5640 Fotos. Aus meinen fast ebenso vielen Neuseeland-Fotos hatte ich immerhin schon einmal etwas hier, es gäbe noch genug weiteres wunderschönes zu zeigen. Nun auch noch vom anderen Ende der Welt. Vielleicht werden es ja dieses Jahr doch noch ein paar Landschaften, sonst muss ich diese Seiten endgültig umbenennen. 😉 Aber vorerst noch einmal Essen. Zum Abschluss unserer Reise, am allerletzten Abend, waren wir im Boragó, dem Restaurant von Rodolfo Guzmán in Santiago de Chile. Wir hatten schon vorher viel von ihm gehört, da er auch auf Facebook recht aktiv ist, und um es vorweg zu nehmen: Es war ein unglaublicher Abend!

Der Auslöser, die Chile-Bilder gerade mit diesem Abend quasi von hinten zu beginnen, war ein Film über das Noma, der vor kurzem im Fernsehen lief. So vieles daran hat mich an Guzmán und das Boragó erinnert: Das Restaurant, die Optik der Gerichte, die Begeisterung des Chefs, und natürlich die Philosophie. Das Motto des Noma war „Zeit & Ort“, also ein Menü, das die Jahreszeit, die Marktlage, und v.a. den Ort — Skandinavien — kompromisslos widerspiegelt. All dies könnte man genauso auch über das Boragó sagen, nur dass der Ort eben Chile ist. Rodolfo Guzmán war einige Zeit im Mugaritz in Spanien, und sagt, dass er nach seiner Rückkehr die Idee hatte, seine Küche zu 100% das Klima, die Landschaften und das alte Wissen der Ureinwohner widerspiegeln zu lassen. Und so bekommt man beim Betreten des Restaurants auch erst einmal eine Landkarte Chiles mit seinen Regionen und Klimazonen statt einer Menükarte (s.o.). Das Logo ist eine Araukarie, ein faszinierender Baum, der den Mapuche heilig ist und nach dem eine ganze Region benannt ist.

Asador

Asador

Das Restaurant liegt im reichsten Viertel der Stadt, ist von außen aber sehr unscheinbar. Als wir um 20 Uhr ankamen, grillte im Hof gerade ein Lamm auf Asado-Art, also im Ganzen, in der Mitte aufgebrochen und auf einem Metall-Kreuz über dem Feuer aufgehängt. Wir wurden sehr freundlich und in exzellentem Englisch empfangen. Später fand sich sogar noch ein Angestellter, der eine Weile in Deutschland gelebt hatte und Spaß daran hatte, seine Deutschkenntnisse an uns ausprobieren zu können. 🙂 Überhaupt hat das Boragó eine große Menge an Personal, die allesamt äußerst zuvorkommend und doch unaufdringlich waren, wenn sie auch darauf bestanden, den Stuhl an- und wegzurücken, wenn man aufstehen oder sich hin setzen wollte…

Die Inneneinrichtung ist „naturnah“, mit Sichtbeton, viel Holz, groben Stoffen und Fellen, aber sehr schön und dezent. Und die Sessel wunderbar bequem. Das ist ein sehr erfreulicher Trend in der gehobenen Gastronomie. 😉 Von unserem Platz aus konnten wir sowohl den Grill im Hof, als auch die Küche beobachten, die durch eine große Glasfront vom Gastraum getrennt ist.

Küche

Küche

Apéritif

Apéritif

Cold Pulmay im Kuhhorn. Pinot noir & Chardonnay, Rosell Boher, Mendoza, Argentinien. Patagonisches Regenwasser

Zum Start entschieden wir uns für einen Schaumwein aus Pinot noir und Chardonnay von Rosell Boher, einem der großen Häuser in Mendoza, Argentinien. Dazu (und das ganze Menü über) reichte man patagonisches Regenwasser. Schmeckt auch nicht anders als stilles Wasser, ist aber nur konsequent. Wenn es etwas an dem Abend auszusetzen gibt, dann am ehesten das Tempo der Getränkebegleitung. Wir hatten kaum am Sprudel genippt, als schon zwei Kuhhörner mit „Cold Pulmay“ kamen. Pulmay ist ein anderes Wort für Curanto, einem traditionellen chilenischen Eintopf. Der genaue Zusammenhang ist uns nicht ganz klar, denn mit Curanto hatte der Inhalt nicht viel zu tun. Als Zutaten konnten wir uns nur Limette und Zwiebel merken. Macht aber nichts, gut war es trotzdem.

Amuse 1

Amuse 1

Chilenito: Fermentiertes Radieschenblatt vom letzten Sommer, Grapefruitscheibe, getrocknete Shrimps, Keks

Los ging es mit einem „Chilenito“. Das sind eigentlich süße Doppelkekse mit Manjar (~ dulce de leche) dazwischen. Dieser hier nicht, hier ist es ein Radieschenblatt, Grapefruit und getrocknete Shrimps auf Keks. Fantastisch, und ein spektakulärer Einstieg!

 

 

 

 

 

Amuse 2

Amuse 2

Blüte der chilenischen Nationalblume (Copihue), gefüllt mit chilenischer Kokosnuss, Murta-Crème, Murtas

Als zweites Amuse kam die eingelegte Blüte der chilenischen Nationalblume. Eine tolle Mischung aus der knackigen Blüte, der Crème und ein paar Murtas. Von Murtas habe ich beim letzten Event schon erzählt, in diesem Menü hier werden noch einige Variationen der Früchte folgen.

Die Amuses wurden auf einem Stein-Service angerichtet, das aus ineinander passenden Teilen bestand. Mit jedem Amuse wurde ein Teil hinzu gefügt oder weg genommen. Währenddessen sprang draußen immer wieder ein Koch zum Lamm und pinselte es ein oder schnitt Stücke ab, um sie in die Küche zu bringen.

 

 

Amuse 3

Amuse 3

Haus der Palo-palo-Schnecke, Stücke von zweierlei Meeresschnecken und zweierlei Algen, Algenbrühe

Amuse 3

Haus der Palo-palo-Schnecke, Stücke von zweierlei Meeresschnecken und zweierlei Algen, Algenbrühe

Das dritte Amuse wurde im Schneckenhaus serviert und bestand aus Meeresschnecken und Algen. Algen sind definitiv eine von Guzmáns Lieblingszutaten, sie kamen in jedem zweiten Gang vor. Kein Wunder bei einem Land mit einer 4300 km langen Küste.

Amuse 4 – Brot & Butter

Brot und Butter

Marraqueta-Brot, Kefir-Butter, Salz

Als letztes kam ein Marraqueta-Brot mit Kefir-Butter und Salz auf den Tisch. Das Marraqueta ist ein sehr typisches Brot in Chile, dieses hier war kleiner, schmeckte aber genauso wie die, die wir zuvor andernorts schon hatten.

Bevor nun der erste „richtige“ Gang kam, kam erst einmal der Sommelier vorbei, und brachte zwei Syrahs. Das ist eine interessante Variante der Weinbegleitung – zwei sehr verschiedene Weine der gleichen Rebsorte zu einem Gang zu servieren. Es gab den 2015 Tococo, Viñedas de Alcohuaz, Elqui Valley und den 2012 Triangle, Crezy Wines (sic!), Choapa Valley. Der erste bestach durch Mineral und eine schöne Säure und gefiel schon mal sehr! Der zweite war zwei Jahre im Holz und roch nach dem Holz des Johannisbeerstrauchs. Schwierige Wahl, zum Glück musste man sich ja nicht entscheiden. 🙂

Suppe

Suppe

Chupe: Pilze aus Quintay als Ragout, Pulver, „Reis“cracker und am Stück, Feigenblatt, Feigen-Brühe

Chupe ist immer eine Art Eintopf oder Suppe mit viel Einlage. Hier Pilze aus Quintay in allen möglichen Konsistenzen in einer Feigenbrühe (nicht auf dem Bild). Auch hier wieder eine Art Markenzeichen, essbare Blätter. Auf die Holzlöffel, die auch später immer wieder auftauchten, hätte ich gerne verzichtet. Die machten das Löffeln unnötig schwer.

 

 

 

 

 

Stein-Folge – 1

Stein-Vorspeise 1

„Stein-Gemüse aus Punta de Tralca, in Schichten geordnet“: Salicornes in einer Crème, „Fels-Mangold“, geröstete Alge, und noch irgendeine endemische Pflanze

Stein-Vorspeise 1

Die nächsten drei Gänge wurden als „Stein-Folge“ bezeichnet, wahrscheinlich weil alle Zutaten auf oder an Steinen zu finden sind. Hier also ein Farbverlauf, der auch von dunkel nach hell gegessen werden soll. Ein sehr hübsch gestalteter Gang, den ich persönlich im Nachhinein lieber genau anders herum gegessen hätte. Nonkonformist. 😀

Stein-Folge – 2

Stein-Vorspeise 2

„Steinpüree über einem Felsen gegart, Kolof-Wurzel-Brühe“: Schwarzes Bohnen-Püree auf Stein, Muschel-Gelee auf Stein, Cochayuyo-Brühe, Portulak-Sträußchen

Dieser Gang ist definitiv eine der genialsten Ideen, die ich bisher essen durfte. Ein schwarzes (und ziemlich scharfes) Bohnenpüree wird auf einen Stein gestrichen und getrocknet. Dadurch entsteht eine Struktur, die an Lavagestein erinnert. Der zweite Stein war mit einem Muschel-Gelee überzogen, das beim Übergießen mit der Brühe schmolz und sich in die Sauce mischte. Die dunkelrote Brühe war aus einer in Chile häufig gegessenen Braunalge (Cochayuyo). Grandiose kleine Lava-Landschaft!

Der Wein dazu war ein 2013 Carignan „Renace“, Bodegas Re, Maule Valley.

 

 

Stein-Folge – 3 / Fisch  – 1

Stein-Vorspeise 3 / Fisch

Robalo (Wolfsbarsch), Algen, „See-Karotten“-Brühe mit gebräunter Butter, Radieschenblüten

Den Abschluss der Stein-Folge bildete der erste Fischgang. Fast roher Wolfsbarsch unter sehr zitronig schmeckenden Algen. Mit Seekarotten bezeichnet Guzmán die Früchte der Cochayuyo. Wobei mir nicht ganz klar ist, was Braunalgen für Früchte haben… Aber auch hier wieder: Einen Teil einer Pflanze im einen Gang, einen anderen Teil im nächsten.

Dazu gab es den 2016 Pinotel Rosé, Bodegas Re, Casablanca Valley. Pinot noir und Moscatel.

 

 

 

Fisch – 2

Fisch

Geräucherte und gegrillte Sepia (Jibia), roher Rhabarber, in Apfelessig marinierte Pflaumenblätter, Murta-Farbe

Wieder ein optisches und geschmackliches Highlight. Auf einem mit Murta-Farbe bepinselten Teller versteckten sich Stücke von geräucherter und gegrillter Sepia und rohem Rhabarber unter Pflaumenblättern. Nachdem Sepia und Rhabarber mit dem Auge nicht unterscheidbar waren, war es jedes Mal eine Überraschung, ob der nächste Bissen knallig sauer oder räucherig-fischig wird. Und auch hier wieder marinierte, essbare Blätter. Man müsste definitiv mehr botanische Überraschungen ins eigene Kochen bringen!

 

 

 

Fleisch – 1

Fleisch

„Kombucha als Fleisch“: Kalbs-Carpaccio (ein Stück davon in Kombucha fermentiert), weiße Murta, knusperiger Pumpernickel-Cracker

Nachdem der letzte Gang genug Säure mitgebracht hatte, ging es nahtlos ohne Sorbet zum ersten Fleischgang über. Ein Kalbs-Carpaccio aus drei Stücken, wobei das mittlere davon in Kombucha fermentiert wurde. Und wieder Murta, diesmal weiße. Zum Kombucha-Fleisch sage ich mal „interessant“.

Dazu wieder zwei verschiedene Weine, diesmal Cabernet sauvignon: 2011 Stella Aurea, Clos Quebrada de Macul, Maipo Valley und 2012 Domus Aurea, gleiches Gut. Der erste mit wenig Tannin und erstaunlich viel Frucht für sein Alter, der zweite richtig fleischig und dicht.

 

 

Fleisch – 2

Fleisch

Patagonisches Lamm asado, Millefeuille aus getrocknetem Weinblatt, Chauro-Beeren, Kräuter

Fleisch

Millefeuille aus getrocknetem Weinblatt, Chauro-Beeren, Kräuter

Es folgte der Höhepunkt des Menüs, das patagonische Lamm „à la inverse“, das die ganze Zeit vor unserem Fenster grillte. Man könnte es neumodisch auch das „Signature Dish“ nennen, zumindest tun das einige Restaurantführer. Wie auch immer, es war definitiv das beste Lamm, das wir bisher hatten. Kein Vergleich mit dem Lamm, das wir in Patagonien selber vorher hatten. Sensationell zart und sehr geschmacksintensiv. Man sagte uns, dass es gute 12 Stunden über dem Feuer hing. Dazu gab es ein wunderschön anzusehendes Kunstwerk aus einem getrockneten Weinblatt, Beeren und Kräutern. Ein richtiger kleiner Garten! So schön, so gut!

Dessert – 1

Dessert

„Tres leches, Frühlingsblütenspieß“: Ziegenmilch unter eine Sphäre mit roter Bete, Kuhmilch, Eselsmilch-Schnee, Olivenöl, Feigenzweig mit Holunderblüten

Wieder ein Spiel mit einem bekannten Gericht – torta de tres leches. Eigentlich ein Kuchen, der in gezuckerter und ungezuckerter Kondensmilch sowie Sahne getränkt wurde (daher 3x Milch). Hier wurde das dreierlei Milch wörtlich genommen und kommt von drei verschiedenen Tieren – Ziege, Kuh und Esel. Dazu ein Feigenzweig mit angeklebten Holunderblüten zum Ablecken. Genial!

Der Wein dazu war der 2008 Fort, Calyptra, Cachapoal Valley. Ein aufgespriteter Süßwein aus Cabernet sauvignon, Merlot und Syrah, das Wortspiel mit Fortifikation und Port ist offensichtlich. Zum hinein legen, muss ich einfach so sagen. Leider, leider praktisch nicht zu bekommen, schon gar nicht von hier aus. 😢

 

Dessert – 2 (Stein-Gang Nr. 4?)

Dessert

„Meer-Erdbeere“, Rosillo, Jogurt, Sauce aus Felsen-Kräutern

Von der „Meer-Erdbeere“ (die grünen Blätter) hatten wir vorher schon in einem der Videos gehört, die Guzmán regelmäßig auf Facebook über seine Exkursionen veröffentlicht. Ich muss allerdings im Nachhinein sagen, nach Erdbeere schmeckte sie absolut nicht… Was Rosillo ist, ließ sich leider nicht mehr herausfinden. Aber wie auch bei Fels-Mangold und Meer-Erdbeere benennt er oft Pflanzen nach geschmacklichen Assoziationen, die botanisch überhaupt nichts damit zu tun haben.

 

 

 

Dessert – 3

Dessert

„Bittere Pflanzen aus der Atacama-Wüste, Eis-Brûlée, Eis-Sandwich mit der Rose des Jahres“

Dessert

„Bittere Pflanzen aus der Atacama-Wüste, Eis-Brûlée, Eis-Sandwich mit der Rose des Jahres“

Und zum letzten „richtigen“ Gang nochmal ein weiterer Kracher. Die Kruste der geeisten Crème brûlée war so gut getarnt, dass man sie erst für einen Teil der Schüssel halten konnte, und sich fragte, wo denn nun die Crème ist, die uns angekündigt wurde. Darunter war eine Schicht Crème und darunter grüne und gelb-braune Früchte. Die „Rose des Jahres“ auf dem Eis-Sandwich ist eine Pflanze, die nur ein einziges Mal im Jahr ganz kurz in der Atacama-Wüste blüht, nämlich nachdem es sintflutartig geregnet hat. Im ganzen Menü sind immer Zutaten versteckt, die nur ganz kurz im Jahr verfügbar sind (wenn man sie denn findet) oder auch nur für das Boragó geerntet werden dürfen. So verändert sich das Menü ständig, laut Eigenaussage manchmal sogar während eines Abends.

Abschluss

Dragons

„Kalter Gletscher“: Cachilla-Dragon

Zum Abschluss gab es noch einen „kalten Gletscher“ oder Cachilla-Dragon. Cachilla ist ein indigener Reis-Eintopf, wobei der Zusammenhang hier auch wieder nicht so klar ist. Wie auch immer, Dragons leben sowieso eher vom Effekt durch den flüssigen Stickstoff, in den sie vor dem Servieren getaucht werden. Dadurch verwandelt man sich beim Essen kurzzeitig in einen Drachen und dampft aus allen Löchern. Sehr lustig!

Auf einen Digestif verzichteten wir, die Karte hatte nichts spontan ansprechendes und ehrlich gesagt waren die Preise dafür auch ein bisschen extrem im Vergleich zum Menü samt Weinbegleitung…

 

 

Überraschung

Überraschung

Crème-Törtchen

Eigentlich hatte man uns die Dragons mit „das war’s dann“ angekündigt. Daher waren wir ziemlich überrascht, als plötzlich dieses kleine Törtchen mit Kerze auftauchte und auch als „kleine Überraschung“ angekündigt wurde. Nun waren wir durchaus etwas auffällige Gäste. Wir ließen uns teilweise jeden Gang drei Mal erklären, um auch wirklich alle Details mitzubekommen, ließen Zutaten gerne auch mal in der Küche nachfragen, fragten den Sommelier nach den genauen Weingütern und Rebsorten, fotografierten (natürlich ohne Blitz) und notierten alles. Wir bemerkten auch während des Menüs schon, dass einer der Köche uns den ganzen Abend über ein bisschen misstrauisch ganz genau beobachtete. So dachten wir dann, dass das vielleicht ein kleiner Gruß aus der Küche war. Kurz darauf bekam aber auch der Nachbartisch ein Törtchen, und die Überraschung scheint einfach ein Teil des Menüs zu sein.

Kurz darauf kam dann allerdings die tatsächliche Überraschung, die nicht Teil des Menüs oder für die anderen Gäste war. Ein Angestellter kam vorbei, und teilte uns mit, der Chef lasse anfragen, ob wir Interesse hätten, die Testküche zu besichtigen, nachdem wir anscheinend Interesse an ihrem Essen hätten.
Was für eine Untertreibung, was für eine Frage. Und wie!

Testküche

Testküche

Und so kam es, dass wir eine Weile später von Rodolfo Guzmán abgeholt und in die Testküche im ersten Stock gebracht wurden. Er entschuldigte sich unterwegs noch vielmals, dass sie gerade die Hauptküche putzten, und wir deshalb etwas durchs Wasser steigen mussten. Die Hauptküche ist erstaunlich klein, viel mehr als auf dem Foto ganz oben auf dieser Seite ist da nicht. Oben befindet sich dann die bestens ausgestattete Testküche mit Eismaschine, Pacojet, Thermomix, Dörrautomat, und was man sonst noch so gebrauchen kann. Inklusive einer Kochbuchsammlung mit so ziemlich allem, was in letzter Zeit Rang und Namen erlangt hat (der große Modernist Cuisine Schuber auch). Außerdem Unmengen an selbst angelegten Vorräten und eine riesige Wandtafel mit Ideen, Rezepten und Teller-Entwürfen.

Testküche

Testküche

Testküche

Testküche

Gerade wegen den ganzen Ideen an der Wand fragten wir vorsichtig, ob wir Fotos machen dürften. Aber er hatte kein Problem damit, im Gegenteil. Seine Leidenschaft für die kulinarischen Geheimnisse Chiles, die auch in seinen Videos schon deutlich wird, war unglaublich. Und er freute sich sichtlich, dass hier zwei sehr neugierige Gäste von weit her kamen, um sich alles genau erklären zu lassen. Er zog einige seiner Vorräte aus den Regalen und zeigte uns, was sie derzeit so umtrieb. Sie experimentierten sehr viel mit Koji-Ferment und hatten z.B. Murta-Miso angesetzt. Schon hatte er zwei Löffel in der Hand „hier, probiert!“. Oder auf dem Tisch auf dem Bild rechts, der hellbraune Haufen. Das war fermentierte Mote (Graupen). Neue Löffel – „hier, müsst ihr probieren!“. Das Restaurant eröffnete 2006, und er erzählte uns, dass es die ersten 10 Jahre fast leer war. Niemand interessierte sich in Chile für Essen dieser Art, auch heute ist die gängige Küche ja eher einfach und v.a. günstig. Erst in letzter Zeit gewinne sowohl gutes Essen, als auch das reichhaltige Angebot an endemischen Lebensmitteln an Interesse. Und seitdem ist das Restaurant ausgebucht – zu Recht, wie wir finden! Sie unterhalten mit ihrem Restaurant ein Netzwerk von 200 Sammlern und kleinen Produzenten, die das Boragó mit den ausgefallenen Zutaten versorgen. Außerdem haben sie eine eigene Farm 30 min von Santiago, auf der sie das meiste von ihrem Gemüse anbauen. Noch mehr zur Produkt-Philosophie gibt es auf der Homepage. Wahrscheinlich hätten wir noch ewig so weiter diskutieren und lernen können, aber nach einer guten halben Stunde kam jemand und bat darum, dass der Chef doch auch mal zum Putzen kommen möge. 😀 Und so verließen wir gegen 0:30 satt, glücklich und müde das Boragó. Was für ein Ausklang eines sowieso einmaligen Monats in Chile!

Testküche

Testküche

Señor Guzmán behält hoffentlich noch sehr lange seine Neugierde und Leidenschaft und trägt so auch zum Erhalt der kulinarischen Tradition der Mapuche und anderen indigenen Völker Chiles bei. Sein vor kurzem erschienenes Kochbuch ist sicher ein Teil davon. Allerdings frage ich mich, wieviel man davon wohl außerhalb Chiles nachkochen kann…

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